Sei gut zu dir

„Ich hätte es von vornherein wissen sollen. Warum habe ich bloß zugesagt?“ murmelt Christine still in sich hinein. Christine ist vielbeschäftigt: Sie arbeitet Teilzeit als Buchhalterin, hat sich daheim eine kleine Praxis als Masseurin eingerichtet, kümmert sich um ihre beiden schulpflichtigen Töchter im Alter von 10 und 13 und versorgt Haus und Garten. Ihr Mann ist beruflich viel auf Reisen – wie gerade auch jetzt. Sie hatte von Anfang an das Gefühl, dass sie besser nein sagen sollte, als ihre Schwiegermutter sie Wieder einmal  um den „kleinen Gefallen“ bat. Sie bekommt nämlich eine Möbellieferung, kann aber selbst nicht anwesend sein, weil sie einen Arzttermin hat.  Also hat Christine zugesagt, nach ihrer Arbeit und bevor die Mädels von der Schule nach Hause kommen, vorbeizuschauen und „schnell“ die Möbel in Empfang zu nehmen. Und da sitzt und wartet sie seit 2 Stunden – noch immer. Mittlerweile sind ihre Töchter bereits von der Schule daheim und sie hat die ältere per Handy instruiert, das Essen zu wärmen, und gemeinsam mit ihrer Schwester die  Aufgaben zu machen. Die Möbel sind aber immer noch nicht da, Die Schwiegermutter ist nicht erreichbar, weil sie ihr Handy daheim vergessen hat und die Zeit bis zu Christines nächsten Termin in der ihrer Massagepraxis rennt dahin. Jetzt hat sie Stress.

Und nicht zum ersten Mal. Manchmal fühlt sie sich von der Flut von Aufgaben und Forderungen überrumpelt und dann überkommt sie ein Gefühl von Verzweiflung. Merkt denn niemand, dass sie auch Bedürfnisse hat? Wann kümmert sich endlich einmal jemand um sie? Ist sie denn niemandem wichtig?

Christine kümmert sich gewissenhaft um ihre Familie, Freunde und Verwandten. Sie nimmt sich gerne Zeit uns springt ein, wenn sie gebraucht wird. Sie kennt die Wünsche und Bedürfnisse ihrer Liebsten und tut ihr Bestes, diese zu erfüllen. Ihre eigenen hingegen nimmt sie nicht so wichtig. Das sei nicht notwendig, ist sie überzeugt. So wichtig sei sie nicht.

Wenn wir aus Mitgefühl heraus und aus Liebe andere gut behandeln, uns um sie kümmern und für ihr Glück sorgen, ist es notwendig, dass auch wir selbst gut versorgt sind: Mit Liebe, Respekt und Fürsorge. Gesundes Energie- und Ressourcenmanagement ist nur möglich, wenn wir die eigene Kapazität zu kennen. Wenn wir andere wie uns selbst lieben, setzt das voraus, dass wir uns selbst auch lieben. Wenn wir Mitgefühl für alle Wesen entwickeln wollen, so inkludiert das auch uns selbst.

Deshalb: Sorge gut für dich selbst! Sei freundlich zu dir! Du bist wertvoll!

Damit das keine leeren Worte bleiben, kannst du in 5 einfachen Schritten ein Gefühl der Wertschätzung für dich und deine Qualitäten entwickeln.

Crashkurs „Ich bin wertvoll! Ich sorge gut für mich.“ In 5 Schritten:

  1. Jeden Morgen vor dem Spiegel 3 Sätze laut sagen:
  1. Du bist wundervoll
  2. Du bist großartig
  3. Ich liebe dich!

Wenn es dir schwerfällt, dann beantworte vorher folgende Fragen:

  • 5 Positive Eigenschaften, die ich an mir gut finde.
  • 5 Dinge, die mich liebenswert machen
  • Meine 5 tollsten Fähigkeiten
  • Nimm dir jeden Tag mindestens 3x für ein paar Minuten Zeit, um dich zu sammeln und dir Gutes zu tun. Ein Timer am Handy kann helfen, dass du dich untertags regelmäßig an dein Vorhaben erinnerst.
  1. Das Versprechen: Gönne dir zu Beginn des Tags eine gemütliche Tasse Tee/Kaffee/Wasser: Fasse die Absicht, dich gut um dich zu kümmern.
  2. Die Pause: Erlaube dir untertags ein paar Minuten für dich allein, blicke aus dem Fenster oder schließe die Augen und schicke dir gute Wünsche.
  3. Das Heimkommen: Nimm dir nach der Arbeit 5 Minuten Zeit, um wieder anzukommen
  4. Das Abschließen, Dankbarkeit: Geh abends in Gedanken noch einmal durch deinen Tag, pick dir die besonderen und schönen Momente heraus, erfreue dich daran.  
  • Mir selbst der beste Freund sein:

Behandle dich genau so, wie du deine beste Freundin, deinen besten Freund behandelst:

  1. 5 Dinge, die ich meiner besten Freundin erlaube
  2. 5 Dinge, die ich mir von der besten Freundin wünsche
  3. 5 Dinge, die ich ab heute täglich für mich tun werde
  • Meine Grenzen kennen und schützen:

Durch Fragen und Nachspüren kannst du ein gutes Gefühl für deine Grenzen entwickeln. Was ist mir unangenehm? Was ist mir zu viel? Was reicht mir nicht?

  1. Körperliche Grenzen spüren: Schwere körperliche Arbeit oder schweres Heben, Sexualität, Zärtlichkeit…
  2. Zeitliche Grenzen abstecken: Zeit ist begrenzt. Der Tag hat 24 Stunden, zieht man 8 davon für den Schlaf ab, weitere für Erwerbsarbeit, Hausarbeit und Familie, bleiben allenfalls 1-2 Stunden übrig.  Zu viele Vorhaben in zu knapper Zeit verursachen Stress und richten langfristig Schaden an.
  3. Soziale Grenzen: Zu viel oder zu seltene Termine mit Freunden, Verwandten; zu wenig Zeit für Partnerschaft; Bedürfnis nach Ruhe und Alleinsein erkennen und berücksichtigen,…
  • Nein sagen
  1. Zeitpuffer schaffen bei Anfragen oder Bitten. Nichts muss sofort entschieden werden: Ich kann das im Moment noch nicht sagen. Ich gebe rechtzeitig Bescheid. Ich muss mich noch mit jemandem absprechen. Das kommt sehr überraschend, darüber muss ich einmal nachdenken / eine Nacht darüber schlafen.
  2. Gib dir die Erlaubnis, nein zu sagen.
  3. Spiele mit einer Freundin einige Situationen durch (Rollenspiel). Übung macht den Meister.

Christine hat sich vorgenommen, nicht immer sofort ihre Hilfe zuzusagen und manchmal auch nein zu sagen. Sie führt ihren Kalender jetzt auch unter Berücksichtigung ihrer eigenen Bedürfnisse: Sie trägt sich nicht nur ihre Massage-Klientinnen ein und die Schulveranstaltungen ihrer Töchter sondern auch Termine für sich selbst (Lesen, Baden) und auch Termine für „Qualitätszeit“ mit ihrem Mann. Meistens erinnert sie sich daran, dass sie Großartiges leistet und dass sie Pausen und Belohnungen verdient hat. Sie hat wieder angefangen zu tanzen und trifft sich vierzehntägig mit ihrer Gruppe.

Selbstfürsorge heißt, dass man Verantwortung für das eigene körperliche und seelische Wohlbefinden übernimmt: Sich freundlich, wohlwollend und liebevoll behandeln, die eigenen Grenzen spüren und immer wieder einmal nein sagen können. Selbstfürsorge steht dem Altruismus nicht entgegen. Sie macht Hingabe und großzügiges Geben erst möglich.