Gefühle und Bedürfnisse

Gefühle und Bedürfnisse  

Eigentlich ist Manuela mit ihrer Arbeit und ihrem Arbeitsplatz zufrieden. Sie liebt die spannenden  Herausforderungen im Wechsel mit täglicher Routine; alles steht in einem guten Verhältnis zueinander. Wenn sie ein herausforderndes  Projekt zu Ende gebracht hat, kann sie sich darauf verlassen, dass für kurze Zeit wieder Ruhe in Form von täglichem Allerlei mit Nachbereitung, Statistik, Ablage und Routinearbeiten einkehrt. Das sind die Erholungsphasen, wo sie wieder Kraft tanken kann.  Meistens. Wären da nicht diese ständigen Störungen: Häufig reißt eine Kollegin ohne anzuklopfen die Tür auf und platzt mit einer Frage oder Mitteilung heraus. Während Manuela in solchen Momenten immer aus ihrem Arbeitsflow herausgerissen wird, stört das ihre Zimmerkollegin Sabine überhaupt nicht. Diese  ist gesellig und tratscht gern. So kommt es regelmäßig vor, dass Personen ohne Anzuklopfen ins Büro kommen und sich dann angeregt mit ihrer Kollegin unterhalten. Das macht Manuela verrückt, ungeduldig, nervös und ärgerlich. Eine ganze Menge an Gefühlen. Wo soll sie da nur anfangen?

Gefühle kommen und gehen. Sie sind nicht Teil unserer Persönlichkeit sondern nur temporäre Gäste. Es gibt Methoden, mit starken Gefühlen umzugehen, es gibt Tipps und Tricks, kurzfristig zu entfliehen (sich ein Hundebaby vorstellen, bis 10 zählen, aufs Klo gehen usw.). Aber mit so einem Durcheinander an Gefühlen weiß Manuela nicht so recht, wo sie beginnen soll. Manchmal möchte sie bei diesen Störungen vor Verzweiflung heulen, an andermal mit dem Fuß stampfen und losbrüllen.

Jedes Gefühl ist Ausdruck eines Bedürfnisses. Gefühle sind uns vertraut, damit schlagen wir uns tagein tagaus herum. Sie kommen und gehen manchmal völlig unverständlich und scheinbar grundlos. Dem ist aber nicht so. Die Gefühle sind sozusagen Bestellungen/Aufträge der  Bedürfnisse. Das Bedürfnis macht mittels Gefühl auf sich aufmerksam. „Da fehlt was – bitte erledigen!“ Es lohnt sich deshalb, dem Bedürfnis hinter dem Gefühl auf den Grund zu gehen. Dieses Spüren und Ergründen macht handlungsfähig!

Eine einfache Art, einer Situation auf den Grund zu gehen, ist es demnach, hinter die eigenen Kulissen zu schauen: Was steckt hinter der Wut, Trauer, Enttäuschung, Frustration? Welches Bedürfnis wurde gerade missachtet und hat somit mein Gefühl ausgelöst?

Was kann man sich unter einem Bedürfnis vorstellen? Ein Bedürfnis ist ein körperlicher oder geistige Mangel, der behoben werden will/soll. Wir alle haben Bedürfnisse – körperliche Grundbedürfnisse wie Nahrung und Trinken, ein Dach über dem Kopf, Sexualität, Sicherheit und geistige wie Soziale Kontakte und einen Platz in der Gesellschaft haben, Persönlicher Erfolg, Ansehen, Stärke oder Selbstverwirklichung.

Die Frage beim Erforschen des zugrundeliegenden  Bedürfnisses  ist: Was brauche ich? Woran fehlt es gerade? Welches Bedürfnis wird gerade missachtet? Bei Manuela ist es im Moment gerade Ruhe. Sie braucht Ruhe und Stille. Sie will darauf vorbereitet sein, wenn jemand kommt – das heißt Besucher sollen anklopfen – und möchte in Ruhe ungestört weiter arbeiten. Manchmal erlebt sie das Hereinstürmen auch als respektlos, da wünscht sie sich respektvollen Umgang.

Wenn das Bedürfnis einmal erforscht ist, hat man Ansatzpunkte für Lösung und Veränderung. In Manuelas Fall kann sie zum Beispiel ihre Kolleginnen bitten, anzuklopfen. Sie kann mit ihrer Bürogenossin reden und mit ihr nach einer Lösung suchen. Angefangen von einer zeitlichen Beschränkung der Besuche bis hin zu  der Möglichkeit, dass die  Kollegin selbst das Büro verlässt und die anderen besucht.

Die einzelnen Schritte:  
1) Gefühl spüren: Ist da was? Was ist das für eine Irritation? Und danach geht es daran, es zu
2) Gefühl identifizieren: Wenn da was ist, dann  WAS ? Und von da ist es nur noch ein Katzensprung zum zugrundeliegenden
3) Bedürfnis ergründen: Was brauche ich, was fehlt mir?  
4) Lösungsansätze überlegen und  
5) Bitten formulieren – sei es an sich selbst oder andere.  

Es lohnt sich, diese Art zu denken auszuprobieren. Wenn wir Innenschau halten und überprüfen, was wir selbst gerade brauchen, dann bleiben wir ganz bei uns. Wir orientieren uns nicht an den Fehlern und dem Fehlverhalten anderer. Auf uns selbst können wir gezielt Einfluss nehmen, auf andere nur bedingt. Wenn wir bei uns bleiben, können wir handeln. Nach und nach fällt es leichter, Bedürfnisse zu erforschen und zu identifizieren.

Wenn man das Bedürfnis erkannt hat, kann man überlegen, was man braucht und von wem. Erst wenn man das weiß, kann man Bitten an Personen richten, etwas zu tun oder zu unterlassen. Manuela weiß, dass es nun an ihr liegt, die Situation zu verbessern: Sie kann Bitten an ihre Kolleginnen richten: „Ich bitte euch, vor dem Eintreten anzuklopfen.“ „Ich bitte euch, leiser zu sprechen oder die Unterhaltung im Pausenraum fortzusetzen.“

Unsere Gefühle sind keine unangenehmen und nutzlosen Störungen. Sie sind große und auffällige Wegweiser zu den darunterliegenden Bedürfnissen. Wenn wir sie wahrnehmen und verstehen, haben wir künftig  nicht nur ein Mittel, uns selbst zu helfen, sondern auch die Bedürfnisse anderer zu erkennen und unsere Empathie und unser Mitgefühl für sie zu vergrößern.

Dankbarkeit geht immer

In meiner Familie gab es in meiner Kindheit eine Tradition: Immer nach dem Essen, wenn wir fertig waren und unsere Teller abräumten, sagten wir „Danke“. Ich könnte gar nicht mehr sagen, an wen dieser Dank gerichtet war: An meine Mutter oder Oma, die das Essen gekocht haben, an Gott, an das Universum, an uns als Familie, keine Ahnung. Es ist letztendlich auch egal, denn ausschlaggebend ist nur das angenehmen Gefühl, das die Dankbarkeit erzeugt und die Energie und Kraft, die die Freude über etwas vielleicht ganz Alltägliches noch verstärkt. Aber es hat mich nachhaltig geprägt. Ich habe früh gelernt, dankbar zu sein und zu sehen, dass nicht alles im Leben selbstverständlich ist.

Diese Wertschätzung für die tägliche Versorgung mit Nahrung hat mich mein Leben lang begleitet. Im Geiste bedanke ich mich heute noch für jede Mahlzeit.

Der Grundstein dafür, ob man dankbar ist, wem oder wofür, wird zumeist in der Kindheit gelegt, indem die Eltern oder anderen Erziehungspersonen es dem Kind beibringen.

Es gibt aber Menschen, die genau das – Dankbarkeit und dankbar sein müssen – in ihrer Kindheit unangenehm erlebt haben. Zu einem Bitte und Danke gedrängt und genötigt zu werden, hat bei ihnen Spuren hinterlassen und Widerstand dagegen entfacht. Das ist sehr schade, weil mit dem Ablehnen von Dankbarkeitsbezeugungen  eine Möglichkeit verloren geht, Freude, Zufriedenheit und Fülle zu generieren und zu erleben.

Dankbarkeit ist keine Gegenleistung für eine erbrachte Leistung und sie ist auch kein Zu-Kreuze-kriechen! Vielmehr kann man mit Dank seine Freude und Wertschätzung zum Ausdruck bringen, über etwas, das gut und besonders ist.

Unsere entwicklungsgeschichtlich vorinstallierten Wahrnehmungsfilter rücken die negativen und schrecklichen Ereignisse in den Vordergrund: Wir sprechen viel rascher und intensiver auf Horrormeldungen von Katastrophen, Bedrohungen , Mord und Totschlag an. Das hatte irgendwann einmal seine Berechtigung, hieß es doch, in Gefahrensituationen rasch Vorkehrungen treffen zu können, um das Überleben zu sichern. Es war wichtig, Bedrohungen rasch zu erkennen. Heute hat das in dieser Form nicht mehr Priorität, weil wir vor Fress- und anderen Feinden relativ sicher sind. Der Filter ist dennoch geblieben: Das Negative, Schreckliche wird rascher und intensiver wahrgenommen als die positiven Begebenheiten, was dazu führt, dass in der subjektiven Empfindung das Schlechte und das Grauen auf der Welt überwiegen. Tageszeitungen und Nachrichtensender wissen sich diese Tatsache zu Nutze zu machen. Angst als Steuerungsinstrument wird auch in der Politik häufig benutzt.

Was hat das aber mit Dankbarkeit zu tun? Sie ist das Gegenmittel! Dankbarkeit bietet die Möglichkeit, dem entgegen zu wirken: Dankbarkeit ist DER Filter, der Negatives und Beängstigendes neutralisieren kann. Sie verhilft, Positives und Wertvolles im Leben zu erkennen und wertzuschätzen. Die Wahrnehmung wird erweitert, nicht nur Schreckensmeldungen sondern auch viel Gutes und Kostbares dringt zu uns durch. Mit etwas Übung und Geschick können diese positiven Wahrnehmungen stärker und intensiver als all der Schrecken werden, mit dem wir medial bombardiert werden. Dankbarkeit hilft, den Blick in die richtige Richtung zu lenken und sorgt so für einen gesunden Geist. Es ist auch kein Nachteil, sich von reißerischen Medien fernzuhalten, wenn man bemerkt, dass sie einem nicht gut tun.

Dankbar sein können bedeutet, dass es etwas gibt, wofür es sich dankbar zu sein lohnt. Zu erkennen und zu schätzen, was man alles an Gutem im Leben hat, macht langfristig zufrieden. Auch wenn es zu Beginn schwierig sein mag, all das Positive im eigenen Leben zu sehen, mit ein bisschen Übung und etwas Geduld zeigen sich bald Erfolge. Dankbarkeit macht all das wertvoll, was wir haben. Wenn wir uns einmal die Zeit nehmen, über all das nachzudenken, wofür wir dankbar sein können, werden wir merken, wie reich wir sind und dass wir in der Fülle leben. Wenn man es sich zur Gewohnheit macht, täglich oder regelmäßig darüber nachzudenken, wofür man gerade dankbar ist, wird sich die Einstellung und  Sichtweise auf die Dinge verändern. Man setzt die Brille der Fülle auf und legt die des Mangels ab.

Am Abend, wenn man schon im Bett liegt und noch dem einen oder anderen Gedanken nachhängt, hat es sich bewährt, noch einmal kurz über den Tag nachzudenken. Nachdenken mit einer ganz bestimmten Ausrichtung: „Was ist mir heute Gutes passiert und wofür kann ich dankbar sein?“ Und meistens, auch wenn der Tag noch so verkackt war, findet sich eine Kleinigkeit, die das Herz berührt: Ein Auto ist am Fußgeher Übergang stehen geblieben und die Fahrerin hat heraus gelächelt, du hast im Supermarkt die letzte Ananas ergattert, dein Paket ist 2 Tage vor dem bekanntgegebenen Termin eingelangt, Es hat zu schütten begonnen, aber du hast es gerade noch in den Bus geschafft, dein Freund hat dir einfach so deine Lieblingsschoko mitgebracht.

Ich habe im frühen Erwachsenenalter eine große Lebenskrise gehabt und mir Unterstützung gesucht. Meine Psychotherapeutin hat mir damals (unter anderem) den Rat gegeben, vor dem Einschlafen noch kurz den Tag Revue passieren zu lassen und mir die schönen Dinge in ein imaginäres  „Körbchen“ zu legen. Am Anfang habe ich natürlich kaum etwas gefunden, aber von Woche zu Woche fiel es mir leichter und ich fand am Abend immer ein wenig Trost, Freude und Dankbarkeit. Diese Methode hat mir bereits damals so sehr geholfen und ich habe sie nie aufgegeben.

Dankbarkeit hilft, mit unproduktiven und unangenehmen Gefühlen umzugehen. Selbst Tätigkeiten, die einen nerven oder einfach nur anstrengend sind, geben gutes „Rohmaterial“ für Dankbarkeit ab. Wenn man sich beim Einkaufen abschleppt und plagt, kann man sich freuen, dass man genug Geld hat, so viel einzukaufen. Wenn man sich über die Lohnabzüge an Steuern und Versicherung ärgert, ist das ein Zeichen dafür, dass man einen Job hat und Geld verdient (je mehr Abzüge desto mehr Bruttogehalt), wenn man sich über die Dauer-Parkgebühren am Flughafen ärgert, ist der Grund dafür meistens ein Urlaub, den man sich leisten kann, bei Zugausfall oder Verspätung kann man sich darüber freuen, dass es überhaupt ein gut ausgebautes Schienennetz gibt, wenn man sich überfressen hat und der Bauch weh tut, ist das ein Beweis, dass man nicht hungern muss.

Wenn wir jammern oder uns aufregen so tun wir das sehr oft auf sehr hohem Niveau. Das kann man sich hin und wieder vor Augen halten, um wieder ein bisschen Zufriedenheit ins Leben zu bringen.

Wenn ich einen Stau gerate, denke ich mir, dass ich dankbar sein kann, nicht die Ursache für den Stau zu sein: In einen Unfall verwickelt sein, eine Panne haben usw. Vor vielen Jahren hatte eine  Freundin mit ihrem Mann und ihrer Mutter einen Autounfall. Alle wurden zum Teil sehr schwer verletzt. Einige Tage später war ich auf einer Tagung in Salzburg Stadt. Am Heimweg setzte Schneefall ein und es begann knapp nach der Auffahrt auf die Autobahn der Verkehr zu stocken. Ich und die anderen Verkehrsteilnehmer steckten für die nächsten 5 Stunden auf der Autobahn fest. Ich dachte  in diesem Moment an meine Freundin und war einfach nur sehr dankbar dafür, dass ich nicht ganz vorne in einem Unfall war, den ich als Ursache für den Stau vermutete.

Ein menschliches Leben ist unglaublich kostbar und besonders: Menschen haben einen freien Willen, können Entscheidungen treffen und bewusst auf ihr Leben einwirken und es gestalten. Tiere hingegen sind Instinkt- und triebgesteuert, sie können nicht planen oder aufgrund komplizierter Überlegungen bestimmte Entscheidungen treffen.

Wenn ich in Wien bin und über den Stephansplatz gehe, dann bedaure ich immer die armen Fiakerpferde, wie sie da tagein tagaus stehen und bei jedem Wetter arbeiten müssen. Es gibt so viel Leid im Tierreich, unvorstellbares Leid. Als Mensch geht es mir da viel besser und besonders als Mensch, der in einem reichen und zivilisierten Land lebt.

Was noch außer dem kostbaren menschlichen Leben bietet sich an, dankbar zu sein? Hier ein paar Anregungen:

  • Österreich ist ein friedliches Land ohne Krieg und Militärgewalt. Man kann jederzeit seine Wohnung oder das Haus verlassen und sich sicher bewegen. In der Nacht muss man nicht fürchten, ausgebombt zu werden, es gibt Nahrung nicht nur im ausreichenden Maß sondern sogar im Überfluss. Partner, Brüder und Väter müssen nicht einrücken und niemand muss um ihr Leben fürchten.
  • Wir leben in einem Land der Fülle. Wir leben in einer klimatisch begünstigten Zone, Getreide, Früchte und Gemüse wachsen üppig und alles wonach uns sonst noch der Sinn steht, wird importiert. Wenn wir wollen, können wir 365 Tage im Jahr Erdbeeren, Tomaten oder Mangos essen. Unser Problem ist weniger, wie wir satt werden sondern wie wir es schaffen, nicht zu dick zu werden.
  • Wir wurden ohne irgendetwas am Leib geboren und wir bekamen sofort ein Zuhause, Essen, Kleidung und ein Dach über dem Kopf. Vielleicht leben wir mittlerweile nicht mehr am Ort unserer Kindheit und haben eine eigene Wohnung oder ein eigenen Haus. Aber auch dies haben wir nicht selbst gebaut, die Ziegel nicht selbst aus Lehm gestochen und gebrannt und dann Stein um Stein mit Mörtel befestigt.  Selbst wenn wir bescheiden leben, so haben wir jedenfalls ein Badezimmer und eine Toilette, eine Heizung und einen Herd zum Kochen. Wenn wir in die Arbeit gehen, schließen wir unser Heim ab und wir können mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit davon ausgehen, dass wir es nach getaner Arbeit wieder unversehrt vorfinden werden. Das ist nicht selbstverständlich!
  • Welche Meinung man auch immer wir vertreten mag, man darf sie kundtun, solange man respektvoll und gewaltfrei bleibt. Man darf für oder gegen Abtreibung sein, für oder gegen Fleischkonsum und Massentierhaltung, man darf politische Parteien gründen, Initiativen starten und sich Meinungen anschließen, die unseren Idealen entsprechen.
  • Es ist gestattet, dem eigenen Glauben oder einer Religion zu folgen, wie immer dieser aussehen mag. Alle Weltreligionen stehen offen und selbst wenn es einen zu Sekten verschlägt, ist dies erlaubt. Vielleicht wird man sogar liebevoll darauf hingewiesen, dass dies gefährlich sein und Schaden zufügen kann, aber es steht einem frei. Man darf beten, wo immer man beten will, und wer nicht beten will, darf dies auch kundtun. Agnostiker und Atheisten finden ihren Platz in der Gesellschaft.
  • Der Großteil der arbeitsfähigen Menschen findet Arbeit. Und wenn sie keine finden, so gibt es Unterstützung durch ein Versicherungssystem, das auf Solidarität aufbaut. In den Arbeitsstätten findet man Bedingungen vor, die der Gesundheit keinen Schaden zufügen. Es gibt viele Gesetze, die  ein sicheres und gesundes Arbeiten ermöglichen und vor der Willkür der Arbeitgeber schützen. Bevor man ins Berufsleben eintritt, steht ein vielfältiges System an Pflichtschulen und Ausbildungsstätten, Universitäten und mehr zur Verfügung.
  • Aber vor allem haben wir eines: Wir sind geistig fit – sonst könnten wir diese Zeilen  nicht lesen – und körperlich entweder gesund oder wenn krank dann in ärztlicher Behandlung. Auch hier fängt uns ein Versicherungssystem aufbauend auf Solidarität auf, und wir können medizinische Hilfe in Form von Ärztinnen, Medikamenten, Krankenhausaufenthalten oder Rehabilitationsaufenthalten in Anspruch nehmen.

Zurücklehnen, Augen schließen und spüren: Was macht mein Leben so besonders?

Was gibt es Wertvolles, über das ich mich tagtäglich freue?

Wer unterstützt mich? Ist es die Katze, die um die Beine streicht und ein warmes Gefühl auslöst oder die Kinder, die am Wochenende immer ins Bett zum Kuscheln kommen? Ist es die tolle Chefin, die so viel Freiraum lässt oder die Freude, dass der Hauskredit endlich abbezahlt ist? Die Erleichterung, dass die Brustbiopsie der Schwester nicht auf Krebs schließen lässt oder dass das Gemüse im Garten dieses Jahr so toll gedeiht? Ist es die Sponsion der Ältesten oder der herrliche Urlaub am Meer? Oder ist es einfach nur der Frieden im Geist und im Herzen, die Ruhe im Garten oder der sanfte Regen, der alles zum Wachsen bringt?

Dankbarkeit schadet nicht und mehr noch: Dankbar sein hat langfristig positive Auswirkungen auf Körper und Geist und sorgt für Zufriedenheit und Glück.    

Es ist mehr als nur eine höfliche Floskel, wenn man im Café dem Kellner „Danke“ sagt, wenn er den Cappuccino bringt! Mit Dankbarkeit beschenkt man sich einerseits selbst, weil man sich bewusst macht, dass es etwas gibt, fürs das es sich lohnt, dankbar zu sein. Andererseits zeigt man seine Wertschätzung einem anderen gegenüber. Danke ist eines der magischen Worte (neben Bitte, dem Grüßen oder Verzeihung), die rasch Verbindung, Freundlichkeit und Wärme in die Welt bringen können. Dankbarkeit bereichert das eigene Leben und auch das der anderen.

Dankbarkeit vertieft das Verständnis der Welt, sie macht es leichter, wertschätzend und freundlich zu sein und ebnet uns damit den Weg zum Glück. Sie ist die rosa Brille, mit der man die Welt verändert betrachten und sie letztendlich auch verändern kann.

Dankbarkeit ist mehr als Worte und Taten. Dankbarkeit ist eine Lebenseinstellung. Sie verändert einen und erhellt das Denken und Fühlen auf wunderbare Art.

Probleme- Eine Gebrauchsanweisung

Silke hat nie Probleme. Zumindest lässt sie sich nie eines anmerken. Nie sieht man sie grummelig oder zerknirscht. Nie tobt sie herum oder ist gestresst. Entweder sie ist eine Heilige, witzeln ihre Freunde, oder sie kann sich verdammt gut verstellen.

Manche Menschen haben von Natur aus ein wunderbares Gemüt, das sie alle Widrigkeiten des Lebens mit einem Schulterzucken hinnehmen lässt. Neben Silke kenne ich da noch ein paar von der Sorte: Geduldige Menschen, die alle Schwierigkeiten ertragen und trotzdem immer freundlich, hilfsbereit und gütig sein. Mein Onkel Herbert war so einer und das Leben hat es ihm nicht leicht gemacht, das könnt ihr mir glauben: Geboren in der Nachkriegszeit, als Kind an Kinderlähmung erkrankt und in weiterer Folge von kaum einem Schicksalsschlag in der Familie verschont geblieben. Tod, schwere Krankheiten, Verluste – die ganze Palette an Problemen. Er aber war immer fröhlich und hat anderen Mut gemacht. War Zuflucht für andere. Er hat das Positive Denken sozusagen erfunden.

Was aber können Menschen machen, die von Natur aus nicht mit so viel Geduld und der Fähigkeit, akzeptieren und loslassen zu können, ausgestattet sind?

Für gewöhnlich kann einen ein Problem gewaltig aushebeln: Ich erinnere mich, wie ich in jungen Jahren aus Unachtsamkeit auf einer Kreuzung am Wiener Gürtel mein erstes Auto zu Schrott gefahren habe. Kein Personenschaden, nur sehr viel Schrott. Der Unfall hat mich fertig gemacht! Tagelang. Wochenlang. Selbst als schon eine Lösung in Sicht war, ich bekam nämlich den alten Wagen meiner Schwägerin, hat mir das Problem den Nerv und die Energie geraubt. Ich hatte mich richtig in das Problem verbissen und konnte nicht mehr loslassen.

Dieser Mechanismus ist mir auch später immer wieder aufgefallen. Probleme lässt man einfach nicht so schnell los. Und schon gar keine unlösbaren. Probleme brauchen Aufmerksamkeit, sie haben Priorität und lassen daneben keinen Platz für Glück, Freude und Leichtigkeit. Alle Kraft fließt in das Lösen oder den Frust, dass es nicht gelöst werden kann. Bis ich auf folgendes gestoßen bin:

Wenn für etwas Abhilfe geschaffen werden kann,

weshalb sollte ich darüber unglücklich sein?

Und wenn für etwas keine Abhilfe geschaffen werden kann,

wozu dient dann mein Unglücklichsein?

Diese großartige   Gebrauchsanweisung für den Umgang mit einem Problem habe ich bei Shantideva, einem buddhistischen Gelehrten aus dem 8. Jahrhundert unserer Zeitrechnung,  gefunden. Im Leitfaden für die Lebensweise eines Bodhisattvas. (Kapitel 6 – Geduld – Vers 10, für alle , die es nachlesen wollen).

Eine einfache Formel:

Problem – gibt es eine Lösung?

                                                  JA: Alles daransetzen, es zu lösen, Kummer nicht notwendig

                                                  NEIN: Vergessen, loslassen, schade um jeden Kummer deswegen.

So einfach und so logisch. Lösbare Probleme brauchen Aufmerksamkeit und Zeit, damit wieder alles ins Lot kommt. Gibt es keine Lösung, darf man sich wieder entspannt zurücklehnen und trotzdem das Leben genießen.

Das ist genau das, was Silke intuitiv immer macht: Sie hat ihren Job verloren. Sie hat alle Energie darauf verwendet, wieder eine Anstellung zu finden. Das ist ihr gelungen, das Problem war zu lösen. Die wenigsten ihrer Freunde aber wissen, dass sie eine schwere chronische Erkrankung hat. Sie hat das akzeptiert, ohne Groll gegen das Schicksal zu entwickeln. Wenn die Krankheit ihren Tribut fordert, nimmt sie es hin, geht ins Krankenhaus und lässt sich behandeln. In den gesunden und guten Phasen verschwendet sie keinen Gedanken daran, was kommen könnte.

Manchmal kann es sein, dass die Lösung eines Problems im Moment noch nicht möglich ist, weil sich vorher noch etwas ändern muss: Wenn das Auto erst dann repariert werden kann, wenn wieder Geld am Konto ist oder die Hüftgelenksoperation erst in 3 Monaten durchgeführt werden kann, weil die Spitäler überlastet sind. Aber die Lösung ist eingeleitet.

Und manchmal kann nur ein kleiner Teil des Problems gelöst werden: Für mich ist zum Beispiel das Leid der Tiere in der Massentierhaltung unerträglich. Ich kann dagegen nur ganz kleine Zeichen setzen: Ich unterstütze den Verein gegen Tierfabriken, lebe vegan und versuche, mit unserem Blog www.veganwerden.info  ,meinen Kochkursen und Vorträgen, andere Menschen zu pflanzlichen Mahlzeiten zu inspirieren.

Lösbares lösen und nicht Lösbares loslassen. Raum schaffen für Freude, Leichtigkeit und neue Ideen. Es zahlt sich aus.

Selbstfürsorge dauerhaft und wirksam installieren

Über Jahrzehnte war das meine Taktik: Den ganzen Tag arbeiten, keine oder zu wenig Pausen machen, daheim weiter arbeiten: Kochen, Wäsche, Rasen mähen, Vorhänge nähen usw., daneben Kaffee trinken und im Stehen rasch etwas essen. Zwanghaft meine To do Liste abarbeiten, denn erst dann hätte ich mir das sprichwörtliche Vergnügen nach der getanen Arbeit verdient. Bloß mit der Einschränkung, dass es dann meist kein Vergnügen mehr war, weil ich mich davor völlig verausgabt hatte. Ich hatte die Anzeichen nicht gespürt und meine Grenzen Stück für Stück überschritten. Der Crash war vorprogrammiert –  regelmäßig!

Wer seine eigenen Bedürfnisse und Grenzen ignoriert, wird früher oder später zusammenbrechen. Jeder weiß das. Man soll sich liebevoll um sich selbst kümmern, das ist allgemein bekannt. Aber kaum jemand macht das. Was kann man also tun, um dieses Wissen zu integrieren und um dafür zu sorgen, dass man körperlich und geistig leistungsfähig wird und bleibt?

Achtsam und geschickt mit der eigenen Energie und den Ressourcen umzugehen, ist die Antwort darauf.  Körperliche Bedürfnisse abdecken wie regelmäßig drei gesunde Mahlzeiten in entspannter Atmosphäre einnehmen, ausreichend trinken und zwar am Besten Wasser oder ungesüßte Tees, rechtzeitig ins Bett gehen, damit man die benötigten Stunden an Schlaf bekommt,  regelmäßig mit Freunden treffen, ab und zu ins Kino gehen, in ein Konzert oder zum Tanzen, abhängen und quatschen und die Seele baumeln lassen. Die Bücher lesen, die einen schon immer interessiert haben, etwas neues lernen oder einfach einmal  beten oder meditieren.  

Nur wenn der Akku voll ist, kann man aus dem Vollen schöpfen. Hat man erst mal sein ganzes Energiekapital ins Spiel geworfen und verbraucht, dauert es wieder länger, Kraft zu tanken und die Leistungsfähigkeit aufzubauen.

Aber das wissen wir natürlich alle und ich möchte wetten, ich bin nicht die einzige, die die Erfahrung der Selbstausbeutung gemacht hat. Aber warum tappt man trotzdem immer wieder in die Falle und schlittert so in diese unangenehmen Grenzbereiche? Das theoretische Wissen um Selbstfürsorge ist eben kein Garant für Wohlbefinden! Genauso wenig wie man von der bloßen Vorstellung, weniger zu essen, schlank wird, bleibt man fit und leistungsfähig, wenn man bloß daran denkt, wie gut es wäre, sich angemessen um die eigenen Bedürfnisse zu kümmern.

Ausschlaggebend ist es, dass gut Ideen auch umgesetzt werden: Heute, morgen, dauerhaft.

Hier ein paar Tipps, wie man aus neuem Verhalten eine Gewohnheit machen kann:

  1. Tätigkeiten oft wiederholen, Routine entwickeln:  Will man neues Verhalten ausprobieren oder fix im Alltag einplanen, muss man geschickt vorgehen. Wir Menschen sind Gewohnheitstiere und alles, was wir für eine bestimmte Zeit lang eintrainiert haben, hat seinen fixen Platz im Tagesablauf: Zähne putzen, Geschirrspüler einräumen, Schuhe anziehen – alles rennt mehr oder weniger auf Autopilot. Eine so eingeführte Routine ist für mich meine Yogapraxis: Gleich nach dem Aufstehen ist mein Ziel die Yogamatte. Nicht nachdenken, nicht mit mir darüber diskutieren – nur tun!  Oft genug gemacht ist ein Verhalten oder eine Tätigkeit nicht mehr wegzudenken. Sie ist automatisiert und wird nicht mehr ständig in Frage gestellt.
  • Mit anderen Tätigkeiten koppeln (Zähne putzen, Geschirrspüler einschalten, Freizeitkleidung oder Pyjama anziehen…) Wenn man einen Monat lang täglich nach dem morgendlichen Zähneputzen überlegt, auf welche Weise man den Tag über gut für sich sorgen will, dann wird es leicht zur Routine. Ich habe es mir zum Beispiel zur Gewohnheit gemacht, nach dem morgendlichen Zähneputzen das Waschbecken im Badezimmer zu reinigen. Mittlerweile ist das ein Automatismus. Achtung aber, wenn außergewöhnliche Ereignissen (Krankheit, Urlaub) den Rhythmus durcheinanderbringen. Die Routine kann schnell wieder in Vergessenheit gelangen.
  • Reminder: Post it in Augenhöhe an Stellen anbringen, die man regelmäßig sieht (Badezimmerspiegel, Garderobe, Toilette). Ich habe in der Küche bei den Oberschränken zum Beispiel eine wunderschön gestaltete Liste mit erstrebenswerten Eigenschaften: Mut, Geduld, Respekt, Großzügigkeit, Freude, Mitgefühl, Vergebung. Wann immer ich dort hin blicke, erinnere ich mich an mein Vorhaben, diesen Eigenschaften mehr Raum in meinem Leben einzuräumen. Termine oder Erinnerungen kann man auch am Handy einprogrammieren. Es gibt eine Vielzahl an Apps, die einen bei körperlicher und geistiger Gesundheit unterstützen können (Activity-Tracker, die daran erinnern dass es wieder Zeit für Bewegung ist,  eine Achtsamkeits-App, die regelmäßig läutet und einen ins Hier und Jetzt zurückholen soll) oder auch der klassische Knopf im Taschentuch.
  • Belohnungssystem einführen: Lernerfolge sind nachhaltiger, wenn man am Ende ein Goodie bekommt: Nach getaner Arbeit ein Kaffee, nach Projektabschluss gemeinsam essen gehen und die getane Arbeit feiern, Städtetrip nach einem halben Jahr Arbeit (d.h. ein halbes Jahr vor dem nächsten großen Urlaub), Kinobesuch nach dem Großputz, Waldspaziergang nach vollbrachter Buchhaltung,….
  • Kurz- mittel und langfristig planen und im Kalender oder Bullet Journal eintragen. Erfahrungsgemäß kommt Terminen im Kalender eine größere Bedeutung als, als einem bloßen Gedanken. Etwas niederzuschreiben vermittelt mehr Verbindlichkeit. Mein Mann und ich vereinbaren wöchentliche Dates miteinander. Die stehen dann im Kalender. Sie sind wichtig.

Ich habe mir jetzt also vorgenommen, nach meiner morgendlichen Meditation noch kurz zu überlegen, wie ich an diesem Tag gut für mich sorgen werde: Was ich essen und trinken werde, ein zeitiger Morgenspaziergang, eine Extraportion Schlaf, mit meinem Mann auf einen Kaffee gehen, eine Freundin anrufen, eine Stunde lang Krimi lesen. Je nachdem. Und am Abend vor dem Schlafen gehen überprüfe ich, ob ich mir tatsächlich die Zeit genommen habe und mir das Minimum und das Extra an Selbstfürsorge gegönnt habe, das ich mir am Morgen vorgenommen habe. Mittelfristig trage ich mir im Kalender zum Beispiel alle 3 Monate einen 4 Stündigen Thermentermin ein und langfristig sind das Urlaube und Kurzurlaubswochenenden. Ich werde mich bemühen und theoretisch sollte jetzt nichts mehr schiefgehen.

Regelmäßiges Kümmern und Sorgen für einen selbst füllt mittelfristig die Energiedepots wieder auf und schafft die Kapazität mit den Herausforderungen des Alltag fertig zu werden. Volle Akkus ermöglichen das Kümmern um andere, Liebe und Mitgefühl. Selbstfürsorge lohnt sich.